Fachtagung "Bahn in Bayern - Unternehmen Zukunft oder Fahrt aufs
Abstellgleis?" vom 17. bis 19. November 2000 in Ortenburg
- Podiumsdiskussion "Wer stellt die Weichen für eine zweite Eisenbahnrevolution
in Bayern?" -
Statement von
Matthias Striebich, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland
(VCD), Landesverband Bayern:
Die Forderungen des VCD Bayern
an eine zukunftsweisende Bahnpolitik in Bayern
Vorbemerkung
Der Verkehrsclub Deutschland VCD ist ein Verkehrsclub für Umweltbewußte und hat sich das
Motto "Wir gehen neue Wege" auf die Fahnen geschrieben. Der VCD versteht sich dabei als
Interessenvertretung für alle umweltbewußten Verkehrsteilnehmer, also vor allem Fußgänger
und Radfahrer mit einem besonderen Augenmerk auf die schwächsten - Kinder, alte Leute -
und die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel (Bahnen und Busse). Zum Klientel des VCD gehören
auch umweltbewußte Autofahrer, die aufgrund heute noch fehlender Alternativen oft gezwungen
sind, mit dem Auto zu fahren. Für diese bietet der VCD Serviceangebote und setzt sich politisch
dafür ein, daß der Zwang zum Autofahren durch Schaffung von Alternativen immer weiter
reduziert wird. Nicht zuletzt versteht sich der VCD als Umweltverband, der sich für eine umwelt-
und sozialverträgliche Verkehrspolitik einsetzt.
Die Vision einer Bahn der Zukunft in Bayern
Die Vision einer Bahn der Zukunft aus der Sicht des VCD bedeutet eine Flächenbahn, ergänzt
durch einen Flächenbus.
Zunächst ein paar Worte zur Begründung. Der große Erfolg des Automobils fußt weniger auf der
großen Schnelligkeit des Autos über große Entfernungen, sondern in erster Linie auf der hohen
zeitlichen und räumlichen Verfügbarkeit - es steht vor der Haustüre und man kann jederzeit
losfahren. In den allerhintersten Winkel unseres Landes führen bestens ausgebaute Straßen,
meist sogar mehrere. Das macht Autofahren attraktiv im Alltag (wer rast schon im Alltag
zwischen Metropolen hin und her - und selbst wenn er das tut, wird er feststellen, daß dort die
Bahn - auch ohne 300 km/h zu fahren - attraktiver ist, denn mit dem Auto kann man vielleicht
schnell auf der Autobahn rasen, aber bei der Fahrt in die City steckt man im Stau).
Die Bahn bzw. die öffentlichen Verkehrsmittel als Gesamtsystem müssen sich, wenn sie
erfolgreich sein wollen, an den genannten Erfolgsfaktoren des Autos orientieren. Natürlich
werden öffentliche Verkehrsmittel im allgemeinen nicht direkt vor der Haustüre losfahren und
man wird nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt losfahren können, aber was das öffentliche
Verkehrssystem braucht - dringend braucht - ist eine hohe räumliche und zeitliche
Verfügbarkeit. Das heißt wir brauchen ein dichtes Netz - in erster Linie ein wesentlich
verdichtetes Schienennetz, das aber durch ein noch dichteres Busnetz zu ergänzen ist, und es
braucht vor allem ein dichtes Haltestellennetz. Für die zeitliche Verfügbarkeit sind kurze
Taktzeiten und eine Bedienung rund um die Uhr notwendig - zu bestimmten Zeiten z.B. durch
bedarfsgesteuerte Systeme.
In Bayern muß - ähnlich wie in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen - eine massive Reaktivierung von Bahnstrecken erfolgen. Diesbezüglich
wurde von der Bayerischen Staatsregierung behauptet, dies sei in Bayern nicht notwendig, weil
in Bayern so wenige Strecken stillgelegt worden seien. Diese Darstellung spricht der Realität
Hohn. Das Schienennetz in Bayern ist in den letzten vierzig Jahren um rund ein Drittel
geschrumpft. Dabei wurden ganze Regionen vom Bahnnetz abgehängt und wichtige
Verbindungen zwischen benachbarten Regionen einfach gekappt. So sind zum Beispiel weite
Teile des Bayerischen Waldes vom Schienennetz abgehängt worden und sind nun bis zu fünfzig
Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt. Eine Vielzahl landschaftlich reizvoller Strecken, die
gerade für den Tourismus als einem der wichtigsten Standbeine bayerischer Wirtschaft enorm
positiv wirken könnten, wurde ebenso stillgelegt, wie zahlreiche Verbindungen nach Tschechien,
Thüringen und Sachsen (aus damaliger Sicht - als praktisch kein Verkehr in diese
Nachbarregionen stattfand - mag dies noch nachvollziehbar gewesen sein, aus heutiger Sicht
muß dies dringend korrigiert werden - auch angesichts des enormen Straßenbaus, der in den
letzten 10 Jahren in diesen Regionen stattgefunden hat). Angesichts dessen die Notwendigkeit
der Reaktivierung von Bahnstrecken in Bayern zu leugnen, ist aus unserer Sicht nicht
nachvollziehbar. Eine Liste der aus Sicht des VCD durchzuführenden Reaktivierungen bzw.
Neubauten von regionalen Bahnstrecken ist in Anhang 2 dargestellt.
Was wir außerdem brauchen ist ein Integraler Taktfahrplan, der diesen Namen auch verdient.
Das bedeutet, daß neben dem Prinzip des Taktverkehrs "(Mindestens) jede Stunde - jede
Richtung" das System von Knotenbahnhöfen und -haltestellen realisiert werden muß, an denen
sich Züge (und Busse bzw. immer mehr auch Straßenbahnen) zur vollen bzw. zur halben
Stunde treffen, so daß man in sehr kurzer Zeit in jede Richtung umsteigen kann. Dazu muß bei
allen Ausbaumaßnahmen im Nah- und Fernverkehr die Frage gestellt werden, was ist nötig und
sinnvoll, um das System Integraler Taktfahrplan zu optimieren. Neu- und Ausbaumaßnahmen
nach Prinzip "so schnell wie möglich (ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste)" sind
abzulehnen.
Das Problem, warum der öffentliche Verkehr gegenüber dem Autoverkehr oft so wenig attraktiv
wirkt , sind ja - gerade im Marktsegment kurze bis mittlere Entfernungen und das ist nach wie
vor der Bereich, in dem ein Großteil des Verkehrsaufkommens stattfindet - nicht so sehr lange
Fahrzeiten, sondern lange Wartezeiten. Ein paar Beispiele dazu:
- Pegnitz - Neustadt/Aisch, 109 km, beides mittelgroße Städte am Rande des Einzugsgebiets von
Nürnberg mit Eilzughalt; die reine Fahrzeit mit Eilzügen beträgt etwas mehr als eine Stunde; die
Reisezeit dagegen meistens fast zwei Stunden, weil die Wartezeit fast 40 Minuten beträgt und der
Anschluß so ungünstig ist, daß mindestens eine der Teilstrecken mit langsameren Zügen gefahren
werden muß.
- Neuendettelsau - Straubing, 182 km, reine Fahrzeit etwas mehr als zwei Stunden; die Reisezeit
beträgt dagegen meist über drei Stunden, oft 3½ Stunden.
- Nördlingen - Miltenberg, 210 km, reine Fahrzeit ca. 3½ Stunden; die Reisezeit beträgt (obwohl
teilweise der ICE benutzt wird) mindestens 4:12 Stunden (wenn Anschlüsse zufällig halbwegs
passen) bis weit über fünf Stunden.
Hier gäbe es also ohne den aufwendigen Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken sehr viel zu
optimieren. Die Reisezeiten könnten mit einem Bruchteil des Aufwands, der für
Hochgeschwindigkeitsstrecken nötig ist, um teilweise 50 Prozent reduziert werden - und dies
flächendeckend und nicht nur zwischen einzelnen Metropolen.
Natürlich ist auch eine weitere Ausweitung des Angebots im Schienenverkehr notwendig,
d.h. die Takte müssen weiter verdichtet werden und das Angebot am Abend und am
Wochenende muß weiter verbessert werden. Das Mindestangebot auf Schienenstrecken stellt
aus unserer Sicht der Stundentakt und dies von 5 bis 24 Uhr (am Wochenende länger) dar.
Dabei ist sowohl die Preispolitik der DB AG, die jeden Zugkilometer zum Vollkostenpreis
verkaufen will, als auch das Diktum der Staatsregierung, daß es keine Steigerung der
Zugkilometer mehr geben darf, äußerst schädlich. Die DB hat auch im siebten Jahr ihres
Bestehens als Aktiengesellschaft offensichtlich einfachste betriebswirtschaftliche Erkenntnisse
nicht verinnerlicht: Wenn der Besteller überlegt, abends noch einen Zug fahren zu lassen oder
tagsüber den Takt zu verdichten, muß ich als betriebswirtschaftlich denkendes Unternehmen
diese zusätzlichen Leistungen natürlich zu einem Grenzkostenpreis mit einem kleinen Zuschlag,
der mir einen Deckungsbeitrag zu meinen Fixkosten liefert, anbieten und darf nicht so tun, als
würde jeder Zugkilometer gleich viel kosten. Andererseits ist es natürlich auch keine Lösung, der
DB AG Betriebswirtschaft lehren zu wollen, indem man sagt, wir bestellen keinen Zugkilometer
mehr. Mit dem Erfolg, daß jede Angebotsverbesserung mit einer Angebotsverschlechterung an
anderer Stelle verbunden ist, weil die Anzahl der Zugkilometer nicht erhöht werden darf. Eine
mögliche Lösung wäre, Konkurrenz zur DB AG aufzubauen und damit das
betriebswirtschaftliche Denken auch bei der DB AG zu fördern. Dabei müßte man allerdings aus
dem BOB-Disaster lernen, d.h. künftig mehr auf regional vorhandenen Sachverstand bauen,
neue Techniken ausreichend testen und zunächst kleine kompakte Teilnetze, die von regionalen
Bahngesellschaften bewältigt werden können, vergeben.
Die Vision des VCD ist unter anderem Forderungskatalogs der Initiative "Modernes Bayern-Netz
für Bahn und Bus", die der VCD Bayern gemeinsam mit ProBahn und BN initiiert hat, enthalten -
dieser ist in Anhang 1 in leicht verkürzter Form dargestellt.
Weitere Gesichtspunkte
Als Umweltverband berücksichtigen wir auch die Interessen derjenigen, die vom Verkehr
betroffen sind, z.B. durch Lärm oder Abgase, obwohl sie - gerade - nicht an ihm teilnehmen.
Außerdem berücksichtigen wir auch finanzielle Gesichtspunkte - der Ausbau der
Verkehrsinfrastruktur muß finanzierbar bleiben und darf nicht noch unsere Kinder und Enkel in
zwanzig oder dreißig Jahren übermäßig belasten. Deswegen sind aufwendige Prestigeobjekte
(wie Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecken), private Vorfinanzierungen (welche die Ausgaben
der so finanzierten Projekte vervielfacht und so auch folgende Generationen immens belastet)
sowie Doppelinvestitionen zu vermeiden (nachdem wir uns für den Ausbau der Schiene ein-
setzen, müssen aus unserer Sicht also die Ausgaben für den Straßenbau massiv
zurückgefahren werden, zumal wir bereits das dichteste Straßennetz der Welt haben).
Aus der Sicht des Umweltverbandes sind zum Thema Zukunft der Bahn folgende, weitere
Punkte von Interesse: Der Güterverkehr, der Fernverkehr (besonders die Zukunft der
Interregios) und die allgemeine Frage, wie der Bahnverkehr so organisiert werden kann, daß er
effizient, bürgernah und geeignet ist, möglichst viel Verkehr auf die Schiene zu bringen.
Die Fehler der Bahnreform korrigieren: Einheit von Fahrweg und Betrieb, Politische
Verantwortung für Güterverkehr, Fernverkehr und Fahrweg
Dieses Thema ist sehr umfassend und ich kann hier nur auf Stichpunkte eingehen:
-
Zunächst zum Güterverkehr und Fernverkehr: Es war einer der Kapitalfehler der
Bahnreform, den Güterverkehr und den Fernverkehr als per se eigenwirtschaftlich
anzusehen und damit vollständig seinem Schicksal zu überlassen - zumal die politischen
Rahmenbedingungen weiter sehr ungünstig für die Bahn geblieben sind. Was wir in der
Folge erlebt haben, war ein dramatischer Einbruch im Güterverkehr und es droht ständig ein
vergleichbarer Einbruch im Personenfernverkehr abseits der ICE-Magistralen, vor allem im
IR-Verkehr.
Die Bahn zieht sich sowohl im Güterverkehr als auch im IR-Verkehr immer mehr aus der
Fläche zurück. Was gerade stattfindet, ist ein weiteres dramatisches Ausdünnen des
Bahnnetzes (wobei die Strecken meistens gleich abgebaut werden). Dabei brauchen wir die
Flächenbahn gerade auch im Güterverkehr und wir brauchen ein dichtes Netz von IR-
Verbindungen für die Verknüpfung und Erschließung der Regionen abseits und zwischen
den ICE- und IC-Bahnhöfen.
Die Politik macht es sich weitgehend einfach: Sie verweist darauf, daß seit der Bahnreform
Güterverkehr und Fernverkehr von der DB AG eigenwirtschaftlich betrieben werden und daß
die Politik "leider, leider" keinen Einfluß mehr darauf hat - oder die ganz schlauen Politiker
stellen öffentlichkeitswirksam Forderungen an die DB AG, die dort natürlich nicht beachtet
werden, ja gar nicht beachtet werden können, weil die DB AG ja angesichts der
Rahmenbedingungen und ihres "Auftrags" als Aktiengesellschaft, möglichst wirtschaftlich zu
operieren, gar nicht anders kann als so zu handeln wie sie es tut.
Die Politik muß daher wieder die Verantwortung für den Güterverkehr- und den
Personenfernverkehr übernehmen und hier im Sinne einer massiven Verlagerung des
Verkehrs auf die Schiene handeln. Das heißt, die Politik muß sich - nicht nur verbal -
sondern finanziell, ordnungspolitisch, usw. dafür engagieren, den Rückzug der Bahn aus der
Fläche im Güterverkehr und im IR-Verkehr zu stoppen. Für die Flächenbahn im
Güterverkehr müssen Zweigstrecken, Ladegleise, Rangierbahnhöfe erhalten bleiben und die
Ideologie, die Bahn könne Güter nur als Ganzzug über weite Strecken befördern, muß ad
acta gelegt werden.
- Ein weiterer Fehler der Bahnreform war die Zerschlagung der Bahn in verschiedene
Organisationseinheiten, insbesondere die Aufteilung in Fahrweg einerseits und Betrieb
andererseits. Das hat man inzwischen auch bei der DB erkannt - zu lesen in einem Artikel in
der FAZ vom 23.06.2000, in dem der Leiter der DB Marketing / Strategie mit der Aussage
zitiert wird, die "Aufteilung in DB Netz, Regio und Station& Service [...] habe sich als zu
bürokratisch erwiesen." Richtig! Das haben alle, die etwas von Bahnbetrieb verstanden
haben, schon vor 6½ Jahren gesagt, aber die Politik hat sich anders entschieden - aus
welchen Gründen auch immer. Die DB AG mag mit dieser neuen Erkenntnis eine bestimmte
Strategie verfolgen (sich ihre Pfründe besser zu sichern), aber das ändert nichts daran, daß
die Aussage als solche stimmt. Die angedachte Schaffung von regionalen
Bahngesellschaften, bei denen der Fahrweg und der Betrieb wieder unter einem Dach
vereint sind, ist daher aus unserer Sicht ein richtiger Ansatz, Kundennähe und Effizienz zu
verbessern.
- Ein weiterer Fehler der Bahnreform war und ist, daß die Rahmenbedingungen für den
Schienenverkehr extrem ungünstig geblieben sind. Nach wie vor werden von staatlicher
Seite mit einem immensen Aufwand Straßen neu gebaut und instand gehalten - diese
Straßen dürfen von der Konkurrenz des Schienenverkehrs kostenlos oder zu lächerlich
geringen Kosten benutzt werden. Dagegen wird vom Schienenverkehr erwartet, daß er die
Kosten für die Schieneninfrastruktur weitgehend selbst trägt - in Form von Instandhaltung
und/oder Trassenpreisen. Gnädig wird für die eine oder andere Maßnahme im Bereich der
Schieneninfrastruktur hier und da ein Zuschuß gewährt, aber die große Masse der Kosten
muß von den Bahnen selbst erwirtschaftet werden - und dann wundert man sich über den
schlechten Zustand der Schieneninfrastruktur!
Zusammenfassung
Lassen Sie mich zum Abschluß zusammenfassen:
- Wir brauchen Flächenbahn und Flächenbus mit einem Integralen Taktfahrplan und einer
wesentlichen Verdichtung des Schienennetzes - Wiederinbetriebnahmen und Neubau von
Bahnstrecken.
- In den Städten - auch in mittelgroßen Städten und erst recht in allen Großstädten - und deren Umland brauchen wir neben der Verdichtung des Zugangebots einen massiven Neu-
und Ausbau von Straßenbahnen bzw. Regionalstraßenbahnen [6].
- Wir haben bereits das dichteste Straßennetz der Welt und brauchen daher im Wesentlichen
keinen Straßenneubau mehr. Die Mittel für den Straßenneubau müssen nahezu vollständig
in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und in Maßnahmen zur Förderung des nicht-
motorisierten Verkehrs umgeschichtet werden.
- Wir erwarten nicht, daß es mittelfristig überhaupt keine Autos mehr geben wird, aber wir
wollen, daß das Auto - auch in der Fläche - als Verkehrsmittel Nummer Eins durch
intelligentere Lösungen abgelöst wird.
Matthias Striebich, 18.11.2000
Anhang 1: Neun Forderungen für ein "Modernes Bayern-Netz für Bahn und Bus"
- Ein attraktives Angebot im Bayern-Netz von 5 bis 24 Uhr
Bayern braucht ein attraktives Angebot im öffentlichen Verkehr täglich von 5 bis 24 Uhr, in
den Nächten Freitag/Samstag und Samstag/Sonntag noch länger. Das Grundangebot für
Bahnen und Busse ist mindestens ein Stundentakt, wobei der Takt in der Umgebung
größerer Städte (ab ca. 50.000 Einwohner) auf einen Halb-Stunden-Takt verdichtet werden
soll.
- Ein dichtes Bayern-Netz für ganz Bayern
Unser Ziel ist, dass für 90 Prozent der Bevölkerung eine regelmäßig bediente Haltestelle in
der Nähe der Wohnung liegen soll. Haltestellen sollen maximal 500 Meter von der Wohnung
und maximal 300 Meter von wichtigen Arbeits-, Einkaufs-, Kultur- und
Dienstleistungsstandorten entfernt sein.
Dazu muss das Schienen- und Busnetz viel enger geknüpft und verbessert werden. Neue
Bus- und Bahnlinien sowie Wiederinbetriebnahmen von Bahnstrecken sind notwendig. Die
Zugangsmöglichkeiten zum Netz sind durch siedlungsnahen Neubau bzw. Wiedereröffnung
von Haltestellen und Bahnhöfen zu verbessern.
- Leistungsfähige Schienenwege als Rückgrat des Bayern-Netzes
Die Schienenstrecken sind das Rückgrat des Bayern-Netzes. Deswegen müssen die bisher
vernachlässigten Zweigstrecken endlich auf einen zeitgemäßen Stand und eine attraktive
Reisegeschwindigkeit gebracht werden. Der Busverkehr soll die Schiene zu einem
flächendeckenden Netz ergänzen.
- Moderne Fahrzeuge für das Bayern-Netz
Modernes Zugmaterial mit hohem Komfort, geringem Energieverbrauch, hoher Wirt-
schaftlichkeit und hohem Beschleunigungsvermögen sind eine Grundvoraussetzung für eine
erfolgreiche Bahn. Neigetechnikzüge machen den regionalen Schienenverkehr schneller
und attraktiver.
- Barrierearmer Zugang zum Bayern-Netz für alle
Der Zugang zum Bayern-Netz soll für alle so barrierearm wie möglich sein - besonders mit
Blick auf die Bedürfnisse von Behinderten, Alten, Kindern, usw. Dabei wird gleichzeitig die
Fahrradtransportmöglichkeit verbessert.
- Attraktives Tarifsystem für das Bayern-Netz
Wir fordern ein attraktives Tarifsystem für das Bayern-Netz, das vor allem familienfreundlich
sein muss. Auch für kurze Entfernungen sollen günstige Angebote vorhanden sein. Alle
Bahnen und Busse sollen mit dem gleichen Ticket benutzbar sein.
- Qualitätssprung für Bayerns Mittel- und Großstädte und deren Umland
Ein Qualitätssprung im Schienenpersonennahverkehr ist besonders in Bayerns Mittel- und
Großstädten erforderlich, um in diesen Regionen eine angemessene Bedienungsqualität
und eine Entlastung von Lärm, Abgasen und Stau zu erreichen. So muss in den
Ballungsräumen Augsburg, Ingolstadt, Regensburg und Würzburg ein verdichtetes
Zugangebot (Regio-S-Bahn) mit Taktzeiten von 15 bis 30 Minuten realisiert werden.
In Städten wie Aschaffenburg, Coburg, Erlangen, Hof, Kempten, Landshut, Passau,
Regensburg und Rosenheim sind moderne Straßenbahnsysteme für Stadt und Umland
nach dem Vorbild Karlsruhes zu planen und kurz- bis mittelfristig zu realisieren.
- Moderne attraktive Haltestellen für Bahn und Bus im Bayern-Netz
Bahnhöfe und Haltestellen sind die Visitenkarte des öffentlichen Verkehrs. Sie sind daher
umfassend und zügig zu modernisieren und auf einen attraktiven Standard zu bringen.
Dazu gehören kurze Wege beim Umsteigen mit Witterungsschutz und eine freundliche
Gestaltung mit folgender Mindestausstattung: Überdachte Sitzgelegenheiten, lesbare und
beleuchtete Fahrpläne, Umgebungspläne, Uhr.
- Mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit des Bayern-Netzes
Die Möglichkeiten, die Qualität und den Angebotsumfang des Schienenpersonen-
nahverkehrs durch Ausschreibungen zu verbessern, sollten konsequent genutzt werden.
Dabei ist die Festlegung von Qualitätsstandards hinsichtlich Sauberkeit, Sicherheit,
Pünktlichkeit, und Anschlussicherung (auch bei unterschiedlichen Betreibern) unabdingbar.
Anhang 2: Reaktivierung bzw. Neubau von regionalen Bahnstrecken - Forderungen des
VCD
Wichtige Verknüpfungen zu benachbarten Regionen außerhalb Bayerns:
- (Coburg -) Rodach - Hildburghausen (Neubau)
- (Bamberg -) Ebern - Maroldsweisach - Königshofen - Bad Neustadt/Saale - Bischofsheim - Gersfeld (- Fulda) (z.T. Neubau)
- (Hof -) Marxgrün - Lobenstein (-Saalfeld)
- Selb - Asch
- Wiesau - Cheb (Eger)
- Passau - Haidmühle (- Plzen (Pilsen))
- Königsee - Berchtesgaden - Salzburg *)
- Kempten - Isny - Leutkirch
- Lohr - Wertheim
Wichtige Verknüpfungen zwischen benachbarten Regionen innerhalb Bayerns:
- Schweinfurt - Kitzingen
- Selb - Holenbrunn (- Marktredwitz)
- Stockheim - Sonneberg
- Kulmbach - Bayreuth *)
- Nördlingen - Dinkelsbühl - Dombühl - Rothenburg o.d.T.
- Eichstätt - Beilngries - Neumarkt/Opf.
- Beilngries - Dietfurt -Kelheim (z.T. Neubau)
- Straubing - Cham (z.T. Neubau)
- Gotteszell - Blaibach
- Landshut - Ingolstadt (Neubau)
- Pocking - Bad Füssing - Simbach (z.T. Neubau)
- Gessertshausen - Markt Wald - Türkheim
- Landsberg - Schongau
Wichtige Zweigstrecken zur Erschließung bayerischer Regionen:
- Wiesau - Tirschenreuth
- Wunsiedel-Stadt
- Regensburg - Falkenstein
- Neustadt/Waldnaab - Eslarn
- Nabburg - Schönsee
- Forchheim (Oberfr.) - Hemhofen - Höchstadt/Aisch - Neustadt/Aisch *) (z.T. Neubau)
- Erlangen - Eschenau (- Gräfenberg) *)
- Erlangen - Herzogenaurach *)
- Nürnberg - Großhabersdorf *)
- (Roth -) Hiltpoltstein - Greding
- Aschaffenburg - Großostheim
- Seligenstadt - Volkach
- Jossa - Bad Brückenau
- Mainburg - Wolnzach / Freising
- Wasserburg-Stadt
- Rosenheim - Rohrdorf - Frasdorf *)
- Altomünster - Aichach (Neubau)
- Wolfrathshausen - Penzberg
- Waging - Tittmoning (z.T. Neubau)
- München - Geretsried
- Passau - Freyung - Grafenau (z.T. Neubau)
- Passau - Hauzenberg
- Dinkelscherben - Thannhausen - Krumbach (z.T. Neubau)
- Schongau - Kaufbeuren
kursiv, grau: 2. Priorität (mittelfristig)
*) Realisierung durch Regionalstraßenbahn empfohlen [6].
Anmerkung:
Die hier vorgestellte Liste ist ein Programm für die nächsten zwanzig Jahre, das aber im nächsten Jahr in
Angriff genommen werden muß. Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind
Beispiele dafür, daß Streckenreaktivierungen keine Utopie von Bahnfreaks sind, sondern daß diese sehr
erfolgreich tatsächlich umgesetzt werden können. In diesen Ländern wurden zunächst einzelne Strecken
reaktiviert - wegen des großen Erfolgs dieser ersten Strecken werden es jedoch ständig mehr Strecken.
Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.
Für das Ziel der Realisierung einer Flächenbahn sind die vorgeschlagenen Reaktivierungen bzw.
Neubauten absolut notwendig. Wie im Text begründet, ist eine Flächenbahn erforderlich, um eine
attraktive Alternative zum Autoverkehr bieten zu können. Die Liste ist daher noch nicht einmal vollständig
- es gibt sicher mittel- und langfristig eine ganze Reihe weiterer Strecken, die ebenfalls in Betracht zu
ziehen sind.
Zur Finanzierung ist zu bemerken, daß die genannten Maßnahmen durch einen Bruchteil der Gelder
finanziert werden könnten, die für unsinnige Großprojekte wie den Transrapid zum Flughafen,
Hochgeschwindigkeitsstrecken und den Bau weiterer Straßen und Autobahnen aufgewendet werden.
[1] |
VCD Bayern e.V.: "Integraler Taktfahrplan für Bayern - Das umwelt- und
fahrgastfreundliche Bahnkonzept", Nürnberg 1994 |
[2] |
Hermann Knoflacher: "Zur Harmonie von Stadt und Verkehr", Köln 1993 |
[3] |
Heiner und Rita Monheim: "Straßen für Alle" |
[4] |
Thomas Spiegel: "Die Empfindung des Widerstands von Wegen
unterschiedlicher Verkehrsmittelbenutzung und deren Auswirkungen auf das
Mobilitätsverhalten", Dissertation, Wien 1992 |
[5] |
Wolf Drechsel und Michael Steinfatt: "Öffentliche Mittel sinnvoll einsetzen:
Investitionszuschuß versus Betriebskostenbeihilfe", www.verkehrsplanung.com |
[6] |
Matthias Striebich: "Regionalstraßenbahnen für die Verknüpfung von Stadt und
Umland", http://www.vcd-bayern.de/texte/vortrag001123.html |
[7] |
Fairkehr 3/2000, Seite 22, "Im Reich von König Ludwig" |
[8] |
Nahverkehrspraxis 05/00, Seite 44, "Straßenbahnnetze wachsen weiter" |
Rückfragen: Matthias Striebich, Tel. 09192 / 6799