Pressemitteilung
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Verkehrsclub Deutschland |
Bäume umarmen ist Spitze, aber ...Der VCD Bayern zieht für die Verkehrsvorhaben der Regierung Söder/Aiwanger eine Halbzeitbilanz.Am 12. November 2018 trat die Koalitionsregierung von CSU und Freien Wählern ihr Amt an. Inzwischen ist die halbe Legislaturperiode vergangen. Deshalb bewertet der VCD Bayern einige der im Koalitionsvertrag enthaltenen Verkehrsvorhaben. Der Klimaschutz hat seit dem Abschluss des Koalitionsvertrages an Bedeutung gewonnen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, dass Deutschland und damit Bayern nur noch eine geringe Restmenge CO2 verbleibt, die bei Einhaltung des 1,5- bis 2-Grad-Zieles in der Atmosphäre deponiert werden darf. Weil zukünftigen Generationen nicht ein totaler "CO2-Lockdown" und massive Einschränkungen auferlegt werden dürfen, muss die jetzt "regierende" Generation die CO2-Emissionen weit schneller wirksam verringern als bisher. Dies gilt auch für den Freistaat Bayern.
Im Koalitionsvertrag heißt es: Der Freistaat Bayern hat dieses Ziel bisher vollumfänglich erfüllt. Im Jahr 2020 sind in den Bau von Autobahnen, Bundesstraßen und Staatsstraßen Investitionen von ca. 2 Milliarden Euro ähnlich wie in den Vorjahren geflossen. In einer Presseerklärung vom 20.4.2021 zum Ausbauplan für Staatsstraßen bekräftigt die bayerische Verkehrsministerin Schreyer, dass "alle bisherigen Projekte des Netzausbaus im Plan enthalten bleiben". Es erfolgt keine Überprüfung, ob diese Projekte angesichts der neuen Herausforderungen noch sinnvoll wären. Mit dem Ausbau nimmt der motorisierte Individualverkehr zu, eine Verlagerung auf klimafreundliche Verkehrsmittel findet nicht statt. "Eine solche Politik der Fokussierung auf den Straßenbau und die damit einhergehende Bindung von Finanzmitteln und Personal verhindert einen engagierten Ausbau des ÖPNV", urteilt Franz Gabler, stellvertretender Vorsitzender des VCD Bayern, "wirksamer Klimaschutz und die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Generationengerechtigkeit sind nicht zu erkennen."
An anderer Stelle heißt es im Koalitionsvertrag: Davon ist Bayern weit entfernt, meint Gerd Weibelzahl, Nahverkehrsexperte des VCD Bayern. Zwar stelle der Freistaat mehr Mittel zur Verfügung, die aber mangels Planungskapazitäten und aus mangelndem Planungswillen vor Ort nicht umgesetzt werden. Notwendig wäre seit langem, so Weibelzahl, dass die Aufgabenträger (Landkreise und kreisfreie Städte) gesetzlich verpflichtet würden, den ÖPNV auf einem festzulegenden Mindeststandard zu organisieren. Auch hier wird durch mangelhafte Politik des Freistaates kein Umstieg vom MIV auf den ÖPNV erreicht und dadurch auch dem Klimaschutz und der vom Verfassungsgericht eingeforderten Generationengerechtigkeit nicht Genüge getan.
Weiter heißt es im Koalitionsvertrag: In den letzten zwei Fahrplanwechseln wurden einige Taktlücken durch das sogenannte 30-Millionen-€-Programm geschlossen. "Vom Ziel eines garantierten Taktes von Montag bis Freitag 5 bis 23 Uhr, Samstag 6 bis 23 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 7 bis 23 Uhr ist man noch weit entfernt", so Gerd Weibelzahl, Nahverkehrsexperte des VCD Bayern. Das Expressbuskonzept wurde entworfen und wird inhaltlich vom VCD begrüßt. Der neue Fördertatbestand zum Angebotsausbau im Expressbusverkehr über die ÖPNV-Zuweisungen ist erfreulich, eine Umsetzung ist aber aktuell nur beim Ringbuskonzept rund um München und mit der neuen Schnellbuslinie zwischen Gersfeld und Coburg zu erwarten. Die Umsetzung weiterer Projekte des Konzepts ist von der Realisierung weit entfernt, so dass von einer Verlagerung des MIV auf den ÖPNV, einer verbesserten Erschließung des ländlichen Raumes und damit von Klimaschutz noch lange keine Rede sein kann. Anders als z. B. das Nachbarland Baden-Württemberg, das Bahnreaktivierungen proaktiv fördert, überlässt der Freistaat Bayern dies privaten Initiativen und steigt in die Förderung erst dann ein, wenn das Überschreiten einer schwer erreichbaren Schwelle bei den Fahrgastzahlen prognostiziert wird. Deswegen gab seit 2018 keine Reaktivierung und es ist nach Meinung von Dr. Christian Loos, Vorsitzender des VCD Bayern, bis 2023 auch keine zu erwarten. Stattdessen legt man Initiativen vor Ort mit Gutachten wie aktuell zur Steigerwaldbahn "Baumstämme" in den Weg. Und wenn die Mindestfahrgastzahlen wie in Mittelfranken oder Schwaben mal passen, dann kommt die dazu notwendige Sanierung der Infrastruktur nicht voran, weil der Freistaat weder dafür bezahlt noch Bürgschaften übernimmt, ohne die Banken keine privaten Mittel freigeben. Nicht umsonst ist Bayern mittlerweile auch deutschlandweit bei Bahnreaktivierungen Schlusslicht. Besonders bei diesem Thema zeigt sich der fehlende politische Wille im Autoland Bayern. Ein radikales Umdenken im Verkehrsministerium und in der BEG wäre notwendig, um wirklichen Klimaschutz zu betreiben.
An anderer Stelle steht im Koalitionsvertrag: Mit einem Elektrifizierungsgrad von 55 Prozent (Stand 2015) ist im Freistaat noch viel Potential nach oben. Leider wurde während der Legislaturperiode nur die Bahnstrecke München–Lindau elektrifiziert. Eine Umsetzung weiterer Planungen ist bis 2023 ist nicht zu erwarten, so Gerd Weibelzahl. Dem VCD ist nicht bekannt, dass der Freistaat die Elektrifizierung einer Bahnstrecke vorfinanziert. Auf elektrifizierten Bahnstrecken kann bei Einsatz von Ökostrom ein großes Einsparpotential an Treibhausgasen realisiert werden. Im Weg steht diesen Plänen auch der Mangel an Ökostrom in Bayern, verursacht durch den fast zum Erliegen gekommenen Ausbau der Windenergie. Franz Gabler, stellvertretender Vorsitzender des VCD Bayern zieht folgendes Fazit: "Bäume umarmen ist zwar Spitze, ersetzt aber leider keine klima- und generationengerechte Verkehrspolitik. Um hier Spitze zu werden, muss sich der Freistaat vom ausufernden Straßenbau verabschieden, die klimafreundlichen Verkehrsarten wesentlich stärker fördern und deren Ausbau schneller vorantreiben." Für Fragen steht Ihnen Franz Gabler unter Tel. 0176 92 31 52 15 zur Verfügung. |